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Kanzlei, Rechtsanwalt, Gießen
28.05.2019
Trotz Besorgnis einer Kindesentführung

Vater muss Reisepass des Kindes herausgeben

Die getrennt lebenden und nicht verheirateten Eltern ihres im Jahr 2016 geborenen Kindes stritten um die Herausgabe dessen Reisepasses. Beide teilen sich zwar aufgrund einer Sorgeerklärung die gemeinsame Sorge, der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes sei jedoch bei der Mutter. Die aus Kamerun stammende Frau hatte in Deutschland Asyl beantragt und hier bereits ihren Realschulabschluss absolviert. Ihre Schulausbildung möchte sie in Deutschland fortsetzen.

 

Eine Reise zum BGH

Nachdem der Vater vom AG Esslingen (6 F 881/17) zur Herausgabe des Passes verpflichtet wurde, da der Mutter aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes die Entscheidungsbefugnis in Angelegenheiten des täglichen Lebens zustehe, hat der Vater Beschwerde beim OLG Stuttgart erhoben (17 UF 14/18). Das Gericht war der Auffassung, dass keine Rechtsgrundlage für die Herausgabe des Passes bestehe, sodass die Beschwerde des Vaters - wenn auch nur vorübergehend - erfolgreich war. Die Mutter beharrte auf der Herausgabe des Passes und zog vor den BGH, der ihr letztlich Recht gab (XII ZB 345/18).

 

Rechtsgrundlage für die Herausgabe

Der BGH sieht eine Herausgabeverpflichtung im Gegensatz zum OLG Stuttgart gerade in der Anwendung der §§ 1632 I, 1684 II BGB. Die Normen beinhalten die Herausgabe des Kindes selbst sowie die Wohlverhaltenspflicht der Eltern. Weil sie nicht direkt auf den hier zugrunde liegenden Fall anwendbar seien, müssten sie entsprechend angewendet werden. Dies sei neben weiteren Rechtsprechungen und Literaturstimmen diesbezüglich die herrschende Auffassung. Das Gericht schlussfolgert nämlich, dass § 1632 BGB, der die Herausgabe des Kindes regelt, erst recht für dessen Gegenstände nach dem Aufenthaltswechsel gelten müsse. Dies kombiniert mit der Wohlverhaltenspflicht der Eltern aus § 1684 II BGB ergebe den Anspruch der Kindesmutter.

Man könne zwar auch einen Anspruch des Eigentümers bzw. der Eigentümerin auf Herausgabe des Eigentums in Betracht ziehen. Dieser scheitere jedoch daran, dass der Reisepass nicht im Eigentum der Mutter, sondern der Bundesrepublik Deutschland stehe.

Auch ein Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes scheide in der Regel aus, weil keine hierfür erforderliche verbotene Eigenmacht des den Pass einbehaltenden Elternteils vorliege.

Die Pflicht zu Beistand und Rücksicht der Eltern sowie der Kinder in Verbindung mit der Generalklausel des BGB, § 242, also Treu und Glauben, regele nur Ansprüche in der Beziehung zwischen Eltern und Kind und gerade nicht zwischen den Elternteilen, sodass auch hierin keine Rechtsgrundlage für den Anspruch der Mutter gesehen werden kann.

Zudem wird ein Anspruch aus Sicht des Gerichts ebenfalls darauf gestützt, dass eine Vorschrift, die neben der Herausgabe des Kindes selbst zudem die Herausgabe des zum persönlichen Gebrauch des Kindes bestimmten Sachen regelte, nunmehr weggefallen ist und der Gesetzgeber die Schaffung einer neuen entsprechenden Norm versäumt hat.

 

Befürchtung der Kindesentführung vorliegend unzureichend

Zwar könne ein Elternteil den Reisepass nur herausverlangen, wenn dieser tatsächlich benötigt werde. Dies sei jedoch unter anderem dann der Fall, wenn das Kind seinen Lebensmittelpunkt bei dem die Herausgabe fordernden Elternteil habe, da dieser sämtliche wichtige Dokumente des Kindes benötige.

Dem Anspruch könnte zuletzt grundsätzlich die Besorgnis einer Kindesentführung ins Ausland entgegenstehen, wie der Kindesvater befürchtet. Die Sorge über eine dauerhafte Ausreise teilte das Gericht jedoch in diesem Fall im Hinblick auf die Verwurzelung der Mutter in Deutschland nicht.

 

 

 


Joachim Mohr
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht und Familienrecht, Mediator



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