nach oben
Kanzlei, Rechtsanwalt, Gießen
02.09.2019
Ausbildung unterbrochen – trotzdem Kindergeld?

Erkrankung unterbricht eine Ausbildung nur

Was passiert wenn ihr volljähriges Kind mit der Ausbildung gerade angefangen hat und plötzlich längerfristig erkrankt? In diesem Moment haben sie andere Sorgen, als die Klärung der Frage, ob dadurch die Zahlung des Kindergelds beeinflusst wird.

Aufgrund einer kürzlich ergangenen Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz sind die Voraussetzungen dafür geklärt.

Beginn der Ausbildung

Im vorliegenden Fall hatte die volljährige Tochter im März 2014 mit ihrer ersten Ausbildung bei einer staatlich anerkannten Berufsfachschule für Mode begonnen. Diese sollte im November 2016 voraussichtlich beendet werden.

Die Mutter hatte am 04.03.14 ordnungsgemäß Kindergeld beantragt, welches auch für die Zeit bis zum Ende der Ausbildung bewilligt worden ist.

Erkrankung der Tochter

Die Tochter erkrankte jedoch im November 2014, sodass ihr ein Schulbesuch nicht mehr möglich war. Mit der Ausbildungsstelle wurde eine vorläufige Beendigung der Ausbildung zum 31.03.15 vereinbart, da nicht voraussehbar war, wann eine Aufnahme wieder möglich sei. Dies wurde auch ärztlich bestätigt.

Einstellung der Kindergeldzahlungen

Ab Juli 2015 stellte daraufhin die Kindergeldstelle die Zahlungen ohne Aufhebungsbescheid ein. Auch reichte die M ein Attest, zur weiteren Dokumentation des Krankheitsverlaufs, von der behandelnden Ärztin bei der die T sich ab Juli bis November 15 in Behandlung befand ein. In dieser Zeit wartete sie auf einen Platz bei einer Spezialistin, bei der sich die Tochter ab Dezember 2015 in Behandlung begab.

Amtsärztliche Untersuchung

Die amtsärztliche Untersuchung (Oktober 2016) bestätigte die Krankheit der Tochter und auch die Tatsache, das nicht absehbar sei, wann eine Aufnahme der Ausbildung wieder erfolgen könne. Es wurde eine Erkrankung aus dem psychiatrischen Formenkreis diagnostiziert.

Mit der Vorlage des amtsärztlichen Attests beantragte die Mutter auch rückwirkend ab dem 01.07.15 Kindergeld. In einem weiteren Schreiben versicherte die Tochter, dass sie ausbildungswillig sei und beabsichtige 2017 die Ausbildung fortzusetzen oder mit einem Studium zu beginnen, wenn dies der Therapieverlauf zulasse.

Ablehnung und Aufhebung des Kindergeldbescheids

Im November 2016 lehnte die Kindergeldstelle aufgrund des Attests den Antrag auf Kindergeld ab Juli 2016 ab und hob rückwirkend die Festsetzung des Kindesgelds ab Dezember 2014 auf. Entsprechend hat sie die geleisteten Zahlungen zurückgefordert, mit der Begründung, dass sich die Tochter ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in Ausbildung befunden habe.

Um sich gegen die beiden Bescheide zur Wehr zu setzen legte die Mutter Einspruch ein, jedoch erfolglos. Daher musste sie Klage erheben, um zu ihrem Recht zu kommen.

Entscheidung des Gerichts

Das FG Rheinland-Pfalz hat nun entschieden, dass ein Anspruch auf Kindergeld besteht, wenn das volljährige Kind ausbildungswillig ist, jedoch seine Ausbildung aus objektiven Gründen zeitweise nicht in der Lage sie diese fortzusetzen.

Solche objektiven Gründe sind Mutterschaft, Erkrankung und Untersuchungshaft (solange das Kind nicht verurteilt wurde).

Denn dieses Kind sei ebenso zu behandeln wie ein Kind, dass sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht, jedoch einen solchen nicht findet und trotzdem nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2c EStG berücksichtigt wird und damit einen Kindergeldanspruch bestehe.

Vorliegend wurde also festgestellt, dass die Tochter krankheitsbedingt (= objektiver Grund) daran gehindert war die Ausbildung fortzusetzen und dies somit die Ausbildung, nicht wie von der Kindergeldstelle behauptet, aus freiem Willen abgebrochen worden ist.

Weiterhin sei nicht das formale Weiterbestehen des Ausbildungsverhältnis entscheidend, sondern ob Maßnahmen durchgeführt werden, die auf die Wiederaufnahme der Ausbildung gerichtet sind.

Dies sei bei der Tochter der Fall, weil sie sich umgehend in ärztliche Behandlung begeben hatte, um nach erfolgreicher Therapie die Ausbildung wieder aufnehmen zu können.

Das FG Rheinland-Pfalz hat in seinem Urteil vom 20.02.18 (2 K 2487/16) entschieden, dass die Klage begründet ist.

Tipp des Fachanwaltes für Familienrecht Joachim Mohr

Die Kindergeldstelle hat ihnen nun einen Ablehnungsbescheid mit dem Verweis auf 63.3.2.7 DA-FamEStG, da eine Unterbrechung der Ausbildung vorliege, zugestellt. Sie haben nun die Möglichkeit unter Berufung auf das oben genannte Urteil des FG Rheinland-Pfalz Einspruch gegen den Bescheid zu erheben. Wenn dies ohne Erfolg bleibt können sie auch gegen den Ablehnungsbescheid Klage erheben.


Joachim Mohr
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht und Familienrecht, Mediator



← zurück
Diese Website nutzt Cookies, um die bestmögliche Funktionalität bieten zu können. Mehr Informationen